Über das Leben und über den Tod hinaus...
Vor ein paar Tagen schreibt mich mein Kumpel Nik an und fragt mich, ob ich noch diese Sache mit dem Nacht-Shooting in der Stadt machen möchte. „Klar“, sage ich und schnell sind Zeit und Ort vereinbart. Wir treffen uns in Bonn. Es ist kalt und die Stadt voller Menschen. Vorweihnachtszeit... Wir treffen uns im MCDonalds am Bahnhof. Fast ein halbes Jahr haben wir uns schon wieder nicht gesehen und wir trinken erstmal einen Kaffee, versuchen den Stress um uns herum abzuschütteln und kommen doch direkt ins Gespräch.
Nik hat in den letzen Monaten einiges durchlebt. Sein Vater ist vor wenigen Wochen nach kurzer, heftiger Krankheit verstorben. Die beiden waren nicht nur Vater und Sohn, sondern darüber hinaus richtig dicke Freunde, die viel gemeinsam erlebt haben. Nik hat sich gekümmert, ihn gepflegt und sich mit der Situation offensiv auseinandergesetzt.
Ich bewundere seine Art und auch seine Sicht auf die Dinge und das Leben. Wir sprechen über das Leben, den Tod und die Zeit die wir hier haben. Die Menschen, die in ihrem "Tunnel" oft gar nicht darüber nachdenken, wie eindeutig endlich unser aller Leben ist. Und wir sprechen darüber, dass das Leben doch erst durch den unausweichlichen Tod eine Bedeutung bekommt. Ich kannte seinen Vater nicht persönlich, aber durch seine Erzählungen bekomme ich einen guten Eindruck von einem tollen Menschen. Ich versuche mich in die Situation zu versetzen. Stelle mir vor, wie es ist, wenn man den Zeitpunkt seines Todes quasi mitgeteilt bekommt... Wenn sich jemand in einem weißen Kittel mit dir an einen Schreibtisch setzt, an der Wand Röntgenaufnahmen, die beleuchtet werden. Du weißt, dass du das darauf bist. Dein biologisches Innenleben. Im Verlauf des Gespräches sagt man dir: "Richten sie sich darauf ein, dass sie sterben werden!" Bämm! Die Uhr, die eh abläuft, steht jetzt auf einmal vor dir und du darfst zusehen, wie der restliche Sand von oben nach unten durchrieselt. Jemand zieht dir im Lauf die Beine weg, und doch siehst du auf einmal manches klarer und ganz anders als zuvor... Da werden manche großen Dinge, denen man eine Riesen-Bedeutung zugemessen hat, auf einmal winzig klein, gar unwichtig.
So wurde aus dem Shooting eigentlich ein Abend mit einem Freund. Ein Abend voller guter und tiefer Gespräche. Gespräche, die Bedeutung haben. Ich mag das. Und während um uns herum der Weihnachtsmarkt und die leuchtenden Geschäfte die Menschen wie magnetisch anziehen, ziehen wir uns zurück. Streifen durch die kalte Nacht. Durch unbeobachtete Straßen umher, suchen das künstliche Licht der Stadt, der Reklamen und Laternen. Ein besonderer Abend mit besonderen Bildern, der mir immer im Gedächtnis bleiben wird. Und Fotos, die für Nik und mich eine Momenthaftigkeit, Dauer und Bedeutung für die Ewigkeit haben werden. Das Leben sollte nicht nur aus Jahren bestehen, sondern die Jahre aus möglichst viel Leben.
Danke für deine Zeit, mein Freund!
P.S.: Eigentlich hätte der Blogpost "In den Schuhen seines Vaters" heißen müssen. Denn die haben uns an Niks Füßen durch den Abend begleitet!