Der Konsumtempel der Fotografie öffnete wie alle zwei Jahre in Köln seine Pforten. Die Photokina ist kaum vorüber und alle Fotografen, Foto-Nerds, Kamerabediener und Foto-Interessierte schlafen gerade noch ihren Messe-Rausch aus. Die Facebook-Timelines wurden geflutet und rauchen noch nach wie die Colts nach einem Duell im Wilden Westen. In der Blase der Social Media Kanäle überboten sich Fotografen, You-Tuber, Reviewer und Wer-halt-so-dazu-gehört-Charaktere mit Selfies, die vornehmlich "untereinander", im Dunstkreis der gegenseitigen Selbstbeweihräucherung, gemacht wurden. Der Rest der Welt soll schließlich wissen, wer oben steht, fotografisch anzubeten ist und zum selbsternannten, elitären Kreis gehört! Neue Kameras, Technik und Zeugs gab es zu sehen und zu begrabbeln. Schön präsentiert, beleuchtet von zehntausend Lampen und leichtbekleidete Damen lächelten dem geneigten Zielpublikum zu. Nicht falsch verstehen: Dem Spaß an der Technik, dem Spaß an schönen Kameras, lichtstarkem Glas und dem ein oder anderen Schnack auf der Messe ist grundsätzlich auch gar nichts schlechtes zu eigen.
Schließlich gab es auch die eine oder andere Neuerung zu sehen, die ich interessant finde. Spiegellose Kameras sind weiter auf auf dem Vormarsch. Fujifilm hat eine neue, spiegellose Mittelformat-Kamera vorgestellt. Olympus zeigte die OMD EM1 Mark 2 und Panasonic beeindruckte mit Eckdaten zur neuen Lumix GH5 und stellte mit der Lumix G81, neben neuen Objektiven, eine super-interessante DSLM in der oberen Mittelklasse vor.
Dennoch werde ich immer nachdenklich, wenn wieder alle Welt/die Fotowelt in den Modus "neue Kamera, neue Technik=bessere Bilder" umschaltet. Natürlich kann man jetzt dagegen halten und sagen, neue Besen kehren gut. Also, warum nicht eine neue Kamera...?
Mir fällt in diesem Zusammenhang das Gespräch mit einem befreundeten Hobby-Fotografen ein. Wie er mir erzählte, er wolle - sinngemäß - aus dem eigenen Saft raus. Lernen und sich weiterentwickeln. Aber wie? Ein paar Sätze später dann wieder die üblichen "Geschichten". Soll er sich nun das TamronlympusXYCanikon-Objektiv kaufen? Die erste Version für schlappe 500 Euro, oder lieber gleich die neue Version für rund 1200 Euro? Die Motivklingel kommt bestimmt dann bei der dritten Version der Linse dazu, bin ich ganz sicher! :-)
Worauf ich hinaus will, und was ich hier etwas provokant umschreibe: Wenn ich doch einen Sportwagen vor der Türe stehen habe (und unsere digitalen Kameras, ab einem gewissen Level! sind alle 911ers, M3s oder AMGs...) spielt doch der Wagen eher eine untergeordnete Rolle, wenn es um die Perfomance des Fahrers auf der Strecke geht. Sollte ich mir dann nicht lieber überlegen, mal das Fahren zu erlernen oder zu perfektionieren, bevor ich darüber nachdenke, an meinen Sportwagen noch nen Heckspoiler zu montieren?
Letzte Woche habe ich wieder einen Workshop im Studio gehalten. Und ganz besonders um diese Themen geht es auch in meinen Foto-Kursen. Raus aus der Komfortzone, die eigene Sichtweise und die Wahrnehmung auf die eigene fotografische Herangehensweise überdenken. Technik nutzen und richtig einsetzen, aber nicht überschätzen. Nicht mit der Herde rennen, sondern lieber den eigenen, oder einen neuen Weg finden. Oft finden sich am Rand neuer Wege besonders schöne Blumen!
Geht doch mal wieder ins Museum, geht in Fotografie-Ausstellungen, kauft euch Bildbände... Erweitert euren Horizont mit guter Inspiration. Holt euch diese Inspiration und überlegt, warum hängen diese und jene Fotografien in einer Ausstellung und andere nicht - Sicher nicht, weil sie mit Kamera XY gemacht wurden. Limitiert euch doch mal und geht mit nur einer Linse - vielleicht einer Festbrennweite - fotografieren, statt mit einer ganzen Tasche voller verschiedener Brennweiten. Legt euch mal auf einen Shoot nur in schwarz/weiß fest oder eben mal nur in Farbe. Raus aus den Routinen und raus aus der Komfortzone.
Gilt auch für mich... Also, in diesem Sinne auf einen schönen, kreativen Herbst.